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Jonas - Suche nach dem Du
Heinz Pack
ISBN: 978-3-928905-99-2
Seitenzahl: 249 Seiten
Verarbeitung: Klebebindung, Vierfarbcover
Preis: 12,90 Euro
vergriffen
Jonas, 1930 im Grenzland Polen/Weißrußland geboren, überlebt fast ein Jahrzehnt hindurch schuldlos von Menschen für Menschen bereitete Abgründe. Nur die Sehnsucht nach seiner Jugendliebe Swetlana hält ihn am Leben. Weil er sie schließlich für tot halten muss, sucht er nach Ersatz. Doch das Schicksal führt ihn zu seiner großen Liebe Swetlana, die inzwischen als Chopin-Interpretin gefeiert wird. »Den Himmel auf Erden« neiden uns Götter. Nach einem jähen Absturz findet Jonas auf einer menschenleeren Insel im Drawsko-Seenpark eine neue Heimat und seinen Frieden.
Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt. Oft sogar ganz alleine. Dort deutet er das Geschehen, erlebt Freude, Leid und Trost. Immer wieder lebt Jonas in diesem Buch auf, als hätte ich ihn, seine Frauengestalten, sein Schicksal gekannt. Auch einzeln werden die Kapitel Erlebnisse. Ich verdanke diesem Buch ein zweites Leben. Der Autor
Den letzten großen Roman von Heinz Pack haben wir jetzt in einer kleinen Auflage nachgedruckt. Es gibt nur noch wenige Exemplare.
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Leseprobe
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Im Drawsko-Seenpark In den großen Ferien im Juli kam alles anders. Ein Kollegenpaar von Jana hatte sich in einem Ferienzentrum in der Drawsko-Seenplatte in Pommern eingebucht, um dort ausgiebigst Wassersport zu betreiben und zu wandern. Sie besaßen einen geräumigen Pkw und luden Jana und Jonas ein, mitzukommen. Sie kamen überein, sich die Benzinkosten zu teilen. Nun wurden es aber statt der 200 km die doppelte Entfernung. Landschaftlich sollte das pommersche Seengebiet den Masuren ähneln, aber noch nicht so überlaufen sein. Genauso verhielt es sich. Jana und Jonas blieben ihren Zelten treu, mieteten sich ein Zweierkanu für 5 Tage und paddelten los. Kaminskys bekamen ihren Bungalow in einem Wald am Ufer des großen Sees und mieteten sich über Tage eine Omegajolle, weil sie lieber segelten. So trennten sich die beiden Paare. Es war bereits 19 Uhr, als Jana und Jonas lospaddelten. Sie hatten sich in der Rezeption eine Gewässerkarte erstanden und wunderten sich über die vielen Arme des Sees, die weit ins bewaldete Land hineinlangten. Die Ufer dieses großen Sees mit 78 km Ufer waren unbebaut, ganz nach dem Geschmack dieser beiden jungen Menschen. Sie beschlossen, die große Insel dieses Sees zuerst anzufahren und dort die erste Nacht zu verbringen. Diese Insel war etwa vier Kilometer weit entfernt. Im Näherkommen erkannten sie, dass da schon vor ihnen etliche Kanuten genau das selbe gedacht und getan hatten, was auch sie wollten. Überall standen schon Zelte. Ab und an war auch eine feste Hütte dazwischen. Sollte hier ein Open- Air-Konzert stattfinden? Das hatten die beiden nicht gesucht. Drum bogen sie nach rechts ab, um am Inselufer in eine lang ausgezogene Bucht zu gelangen. Aber auch da überall Zelte, und was noch schlimmer war, bunt gestrichene Bretterbuden. Überall kläfften Hunde. Die Insel machte einen regelrecht „verhunzten“ Eindruck. Wo erledigten diese Menschenmassen ihre Notdurft? Wo ließen die ihren Müll? Gab es denn hier noch keinen Naturschutz, der eine derartige Naturzerstörung durch Überbeanspruchung verhinderte? Sie paddelten weiter am Inselufer entlang, umfuhren eine lange, schmale Landzunge, die dicht bewaldet war. Hier gab es keine Zelte. Nur zwei Segelyachten lagen dicht beieinander am Rand des Schilfgürtels. Eine lichte Stelle am Ufer war schnell gefunden. Es hatten gut zwei Zelte nebeneinander Platz. Wenn nur die vielen Mücken nicht wären! Denen konnte man nur entkommen, wenn man schnellstens sein Zelt aufstellte, reinkroch und das Moskitonetz vor dem Eingang schloss. Draußen sitzen konnte man nicht. Im Zelt ließen sich die Blutsauger gut killen. Es waren große Anophelesmücken, die in südlicher gelegenen Gebieten Malaria auf den Menschen übertragen. „So, das war die letzte,“ kam es aus Janas Zelt. Jonas war noch nicht ganz so weit. „Na, wie ist dir zumute, Jana? Haben wir richtig gewählt mit dieser Gegend?“ „Wenn du die Mücken meinst, die gibt es in den Masuren noch reichlicher.“ „Nein, ich meine die vielen Camper allein schon auf dieser Insel!“ „Ich bin genauso enttäuscht. Aber warten wir’s ab. Morgen paddeln wir weiter. Es kann ja nicht überall so schlimm sein. „Du hast recht, mein Mädchen!“ lachte Jonas aus seinem Zelt heraus. „Lass uns schlafen, gute Nacht wünsche ich dir, liebe Jana!“ „Die wünsche ich dir auch, lieber Jonas! Pass gut auf uns auf und schlafe trotzdem schön!“ Sie schliefen getrennt und waren doch zusammen. Am nächsten Morgen war es windstill. Der See war ein Spiegel. Die beiden Segelyachten waren schon verschwunden, als Jana und Jonas aus ihren Zelten krochen und ins Wasser liefen, um sich schwimmend zu erfrischen. Der Seegrund war sandig, das Wasser recht klar und ca. 20 Grad Celsius warm. „Ist das herrlich hier! So liebe ich es! Wir beide und eine solche Natur um uns! Ich glaube, es war doch richtig, dass wir hierher gefahren sind,“ meinte Jonas. Die Sonne war höher gestiegen und hatte die Mücken verdrängt. Die lauerten gierig auf das Blut der Warmblüter im feuchten Waldesdunkel. Von ihrem Zeltplatz aus führte ein Trampelpfad hügelan durch den Erlenbestand auf eine längliche Graslichtung, auf der ein Reh äste. Das bekam aber sofort von ihnen Wind und sprang ab. Etwa hundert Meter vor ihnen schimmerte der See durch den Baumbestand. Diese Richtung schlugen sie ein. „Ich hätte nie gedacht, dass hier bei dem Camperbetrieb Rehe zu Hause sind,“ meinte Jonas. Jana deutete auf eine schwarze Stelle im Grün, wo anscheinend Wildschweine die Grasnarbe aufgebrochen und das Erdreich nach Regenwürmern oder Mäusen durchwühlt hatten. „Hausschweine könnten es wohl nicht sein, es sei denn, die Inselanlieger würden solche Tiere halten und auf der Insel frei herumlaufen lassen. Eine Einzäunung sehe ich nirgendwo. Die Schweine auch nicht. Du wirst recht ha92 ben, dass es Wildschweine sind. Das scheint ja eine ganz interessante Insel zu sein,“ sagte Jonas. Sie überschritten den Rücken der Wiese, denn eine solche war es wohl mal, und gelangten in ein Erlengehölz, in dem sie eine morsche Hütte und eine größere unbenutzte Bretterscheune bemerkten, an der auch schon der Zahn der Zeit genagt hatte. Neben dieser Bretterscheune steckte das Gehäuse eines ausrangierten leuchtend weiß emaillierten Gasherdes im Morast. Sie gingen weiter am Seeufer entlang und kamen zu den ersten Hütten. Kleine Hunde bellten sie an. Gruppen von Menschen standen rauchend mit Bierflaschen in der Hand zusammen und schauten nach ihnen auf. Der „Guten-Tag- Gruß“ wurde erwidert. Aus jeder dieser Buden plärrte ein anderer Song aus billigen Lautsprechern. Dazwischen das Geschrei von herumtollenden Kindern. Etliche Segeljollen und Kanus waren aus dem Wasser gezogen worden. Zwischen den einzelnen Buden glitzerten Bierdosen, Flaschen, buntes Plastikallerlei und Staniolpapier aus kleineren Müllbergen in der Sonne. Da hindurch in Richtung Inselinneres mochten Jana und Jonas nicht gehen, denn da mussten allerorts unzählige Kothäufchen mit weißem Toilettenpapier verziert herumliegen. Welch eine Urlaubsidylle ! Diese Menschen kamen aus den großen Städten und aus industriellen Ballungsgebieten Oberschlesiens, wo sie in Mietskasernen unter schwarz qualmenden Schornsteinen übereinander gestapelt wohnten, um sich nun in dieser Natur in vermeintlicher Freiheit zu erholen. Jana und Jonas passierten angewidert und kopfschüttelnd diese chaotische Urbanisation. Der Südteil dieser großen Insel war in Ufernähe überall von Langzeitcampern und Budenbesitzern verunziert, wenngleich wegen des dichten Bewuchses mit mehr Abstand voneinander. Wie sich später herausstellte, hausten die hier kostenlos. Bestimmt waren dieses hier Menschen, die im materiellen Notstand lebten. Eine gepflegte Urlaubsatmosphäre, wie die der großen Ferienzentren, konnten sie sich nicht leisten. Und aus der Welt der qualmenden Schlote wollten, ja mussten sie mal raus. So sehen es wohl auch die Behörden, die darum beide Augen zudrücken. Die Weltöffentlichkeit bekommt nichts davon mit. Darum nimmt eine Öffentlichkeit auch keinen Anstoß an diesen Zuständen. In der Südostspitze der Insel wächst eine riesige Buche, wohl reichlich zweihundert Jahre alt. Sie gilt als Naturdenkmal und steht unter Naturschutz. Das konnte einige Bürschlein nicht abhalten, im Geäst hochzuklettern und sich in der Rinde auffällig mit Messern zu verewigen. So entstanden Namenszüge in 10 cm breiten Buchstaben. In diesen Wunden des Baumes siedelten sich Bakterien und Pilze an, die bis ins Mark vordrangen. „Was würde diese Buche uns erzählen, wenn sie sprechen könnte?“ gab Jonas zu bedenken. „Ich meine, sie spricht. Sie klagt uns an! Wir Menschen hören ihr nur nicht zu. Zur Besinnlichkeit lassen wir uns keine Zeit. Wir haben die Sprache der Natur verlernt, geben dem oft hirnlosen Klamauk in den Massenmedien den Vorzug,“ fügte Jana hinzu. „Wie recht du hast, Jana! Genauso denke ich auch. Die südliche Hälfte der Insel war nur am Ufer bewaldet. Auf dieser Fläche weideten drei schwarzweiße Kühe. Demnach musste in den alten Bauernhäusern aus deutscher Zeit heute ein polnischer Viehhalter wohnen. Vielleicht gehörten dem auch ein paar Schweine. Beackerte Fläche sahen sie nicht. Die ganze Länge der Insel betrug ca. 1,7 km. Die nördliche Inselhälfte begann, mit Erlen und Birken zuzuwachsen. Sie waren erst mannshoch, bildeten aber vorzüglichen Unterschlupf für Rehe und Sauen. Jana und Jonas hatten alle Mühe, dieses Pflanzendickicht zu durchdringen, um zu ihrem Zeltplatz zurück zu kommen. Es wuchsen dazwischen noch Weißdorn, Heckenrosen und Schlehen, deren Dornen ihre Haut und Kleider verletzten. Sie fanden ihr Zelt und Kanu unversehrt, nichts war gestohlen. „Was hältst du von dieser Insel?“ fragte Jana. „Ich finde sie bemerkenswert. Es reizt mich, diese Insel zu erforschen. Ich möchte sehr gerne mit eigenen Augen sehen, welche Wildtiere hier tatsächlich leben und welche seltenen Pflanzen hier wachsen.“ „Stören dich die Buden und vielen Camper nicht dabei?“ „Es wäre hier gewiss schöner ohne sie. Aber zum Glück für diese Natur halten die sich in den ufernahen Bereichen des südlichen Viertels auf. Die Inselfläche ist denen viel zu unwegsam. Wenn man bedenkt, dass die Camper die Insel Ende August zum Ferienende wohl verlassen werden und auch etliche Budenbewohner wieder in die Kultur der Städte zurück müssen, wird es hier erträglicher. Der Inselbauer wird wohl bleiben. Wie der auf dieser Insel wohl über den Winter kommt?“ „Ich merke schon, diese Insel beschäftigt dich, Jonas, oder nicht?“ - „Ich möchte noch einmal hierher zurückkommen und mir viel Zeit mitbringen. Weißt du, eine unbevölkerte Insel ist etwas Besonderes, eine in sich geschlossene Miniaturwelt ...
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